Meine Reise um das FediVerse in 79 Tagen
von Igor Warneck
Gestern habe ich ein bisschen meinen Computer aufgeräumt und dabei ganz viele Screenshots aus meiner Zeit bei Twitter gefunden.
Es dauerte nur wenige Minuten und schon war ich wieder in dieser destruktiven Welt emotional gefangen. Schlechte Laune breitete sich aus und so, als wäre es Ewigkeiten her, musste ich den Kopf über mich selber schütteln. Wie war es nur möglich so anders zu empfinden, zu denken, zu agieren?
Vor 79 Tagen trat ich meine Reise ins Fediverse, über Mastodon an. Und ich war schockiert: Hilfsbereite, freundliche Menschen, keine Werbung und keine Themen, die mir ungefragt aufgedrängt wurden.
Mein Herzschlag und Stresslevel stieg nicht gleich vollautomatisch, sondern es breitete sich das Gefühl von willkommen sein aus. Das ja ’ne coole Kneipe hier! Und niemand hielt mich mit nervigen Pop-ups zwangsweise am Rechner, um mich dann doch noch aufzuregen und zum Agieren zu verleiten.
Ungewohnt war das, nach mehr als 3 Jahren auf Twitter und davor unzähligen Jahren auf Fuckbook - oh Verzeihung, diese Autokorrektur - Fakebuch wollte ich ja schreiben.
Manipulation ist eben, wenn man es dann doch nicht merkt. - Wie kann man Menschen am leichtesten an ein Produkt kleben und sie gleichzeitig dazu animieren, das Produkt immer mehr zu füttern? Schau Dir mal den Mechanismus von (a)sozialen Medien an, welche Dich mit Anzeigen zubomben und eben genau davon leben, dass Du, ja genau Du, sie fütterst.
Selbstverständlich bekommst Du keine Entlohnung für Deine Zeit, Dein Engagement, nein - bei Twitter begibst Du Dich auch noch auf eine Reise in den SadoMaso-Tempel.
Ein menschlicher Gott - wie es sich gehört natürlich ungreifbar - bestraft Dich für unverständliche Handlungen, in dem Du keinen Inhalt mehr liefern kannst, nein darfst.
Du darfst keinen Inhalt mehr liefern. Du darfst Dich nicht mehr wehren. Du bist hilflos. Ohnmächtig. Eine sehr feine Art manipulativen Missbrauchs.
Und - Du bleibst ... suchst Dir keinen anderen Weg der sozialen Kommunikation. Nein - Twitter muss es sein!
Wie pathologisch ist das?
Dann machte es eines Tages "bing" - so ungefähr zu der Zeit, als Sahra Wagenknecht, ihre bisher von mir für gut gehaltene Idee, durch Lafontainsche Undistanziertheit gänzlich vernichtete ... und ich, sozusagen von Geburt an querdenkend, komplett umdenken musste. Diese Twitter-Mühle ging so nicht weiter. - Doch plötzlich wurden die Gegenpopulisten zu den Hyänen und blockten gegen alles, was ihnen in den Weg kam. Die vermeintlich Guten zeigten nun auch ihr wahres Gesicht - Wagenknecht und ihr Gefolge hatten es geschafft, eine wahre Pest in den sozialen Medien loszutreten.
Der Social Mob bekriegte sich. Besinnungslos. Ohne Hemmungen.
Sätze wie: "Was für ein Pack!" von Marcus Mittermeier, waren noch die gemäßigten Aussagen ... höchste Zeit zu gehen.
So folgte ich der auf Twitter sehr aktiven Hacktivistin @n3ll41 auf Mastodon, welches sie genau zu diesem Zeitpunkt dann auch wieder verließ - oder zu wenig Aufmerksamkeit dort bekam - und schaute mich um.
Parallel dazu änderte ich meine Gewohnheit, jeden Morgen die Tagesschau und NTV zu lesen. Die auf Twitter ständig wiedergekäuten Themen des Tages reichten mir erst einmal.
Das FediVerse empfing mich ruhig und entspannt, fast schon zu entspannt. Dies lag daran, dass ich nicht von Algorithmen meinen Inhalt vorgegeben bekam, sondern selbst aktiv werden musste. Durch viele Interaktionen mit Themen, die mir interessant erschienen, entwickelte sich dann auch ein kleiner Freundeskreis online.
Aus dem Trugschluss heraus, dass es am Server liegen würde, auf dem ich meinen ersten Account eingerichtet hatte, dass es so still war, begab ich mich auf die Reise durch die Instanzen des Fediverse. Dabei begegnete ich viel spannender Technik, interessanten Ideen, soziale Kommunikation umzusetzen und Netzwerke zu bilden. Irgendwann rauchte mir der Kopf von den vielen unterschiedlichen Bedienkonzepten, welche doch alle der gleichen Sache dienen sollten. Somit beschloss ich wieder an den Ausgangspunkt zurückzukehren. Nein, nicht zu Twitter, sondern zu Mastodon.
Auch wenn es viele Möglichkeiten gibt im FediVerse zu interagieren und mit allen Menschen, die sich darin aufhalten, einen Austausch zu pflegen, so war es mir wichtig, mich nicht zwischen unterschiedlicher Software (Friendica, Calckey, und einige andere) aufzureiben - sondern meine Präsenz eben dort aufzubauen, wo sich bereits viele Menschen angesiedelt hatten.
Anfangs dachte ich, mit den 500 Zeichen pro Beitrag komme ich als Plaudertasche nie zurecht, doch dann kam mir die Idee: Mach doch wieder einen Blog - und siehe da - alles ist in bester Ordnung. Weiterdiskutieren kann man meine Tagesgedanken ja dann auf Mastodon.
In diesem Sinne - für heute - Gute Nacht!
#Tagesgedanken